Übergriffige Eltern – und warum Sie sich als Erwachsener dagegen wehren sollten

Coachings dienen ja auch dazu, Dinge loszuwerden, die einem schon länger auf der Seele liegen. Und ein Thema, das immer wieder aufkommt, sind übergriffige Eltern, die mit gut gemeinten Ratschlägen und Anmerkungen, sich immer wieder und nachhaltig in das Leben ihrer erwachsenen Kinder einmischen. Wobei die erwachsenen Kinder durchaus auch schon das 40te Lebensjahr überschritten haben können. Da wird dann an der allgemeinen Lebensführung, an der Erziehung der Enkel, an der Wohnungseinrichtung und an der Sauberkeit rumgemäkelt, um nur ein paar Beispiele zu nennen und auch mit guten Ratschlägen, wie denn nur “ordentlich” geputzt wird, nicht gegeizt.

Ganz besondere Dramen spielen sich dann um die “besonderen Tage” ab, sei es Geburtstag, hoher Feiertag und die allgemeinen Familienfeste. Wenn es da nicht nach dem Kopf und der Gewohnheit der Eltern geht, brennt emotional die Hütte. Die erwachsenen Kinder spüren das als Belastung, trauen sich aber in vielen Fällen nicht, sich dagegen zu stemmen und ihren eigenen Lebensentwurf gegen das Lebensmuster der Eltern zu stellen.

Ein Nein bedeutet das Ende der Liebe.

Die Zwischenüberschrift sagt, um was es geht: In den Kindern ist noch die feste Annahme vorhanden, dass ein Nein gegenüber den Eltern, eine Abgrenzung die Liebe zu ihnen auf`s Spiel setzt. Und deshalb dulden sie viel und manchmal auch alles, was den Eltern so an Lebensweisheiten einfällt. Mit dem Effekt, dass sie sprichwörtlich selbst nicht erwachsen werden können, weil sie sich auf ewig als Kind fühlen. Besonders prägnant wird es dann, wenn ein solches Kind vielleicht noch einen Partner gesucht und gefunden hat, der dieselben Verhaltensmuster an den Tag legt: Dann fühlen sich beide sprichwörtlich gefangen.

Was fehlt und welcher Weg zur Lösung führen könnte: Irgendwann in der frühen Kindheit hat eine “Schwarz-/Weiss-Integration” nicht stattgefunden. Damit meine ich, dass wir irgendwann als Kinder beginnen, nicht nur die guten Seiten unserer Eltern zu sehen, sondern auch die Seiten, die wir für uns als nicht gut empfinden. Damit unsere Eltern beides sein können: Menschen mit positiven und nicht so positiven Eigenschaften. Das ist der erste Schritt. Nobody is perfect. Auch unsere Eltern nicht.

Der zweite Schritt besteht darin, dass jeder Mensch – trotz großer Liebe und Zuneigung – seine eigenen Grenzen braucht. Und man auch in großer Liebe und Verbundenheit zum anderen sagen kann und muss: Bis hier hin und nicht weiter. Und das gilt sowohl für die Eltern, den eigenen Partner, die eigenen Kinder und auch das sonstige soziale Umfeld. Wobei die meisten Menschen mit der Abgrenzung im sonstigen sozialen Umfeld weniger Probleme haben. Diese treten meistens nur in engen Beziehungen auf.

Ein “Nein” bedeutet nicht das Ende der Liebe. Vielleicht ist das ein gutes Mantra für Sie, dass Sie sich immer wieder sagen können. Zur Selbstermunterung sozusagen. Ansonsten – ein gemeinsamer Weg mit mir als Coach kann Ihnen ebenfalls aus diesem Dilemma heraus helfen.

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8 Kommentare

  1. Paul weissmer
    10. Mai 2016 at 14:59

    Ihre Ausführung ist sehr Interessant, in der Praxis stehen dieser jedoch Faktoren entgegen, welche die Umsetzung und Auslebung der aktiven Selbstbestimmtheit massiv behindern. Genug Menschen akzeptieren in ihrer Eltern Rolle kein Nein und so kann je nach Grad der emotionalen Versteifung und unter Berücksichtigung der sozialen, emotionalen und familiären Rahmenbedingungen ein Nein eben doch zu der von Ihnen beschriebenen “Verweigerung der Liebe” führen.

    Kurz und knapp:

    Menschen die aufgrund psychischer Störungen oder vielleicht sogar nur aufgrund ihres Charakters kein Nein ertragen können oder sogar davon ausgehen, dass sie prinzipiell immer Recht haben, meinetwegen auch nur weil sie ihr Kind als das ewige Kind sehen und davon unter keinen Umständen ablassen, brechen aus diesen Gründen tatsächlich Familienbande.

    Ich habe es mehr als einmal beruflich, sowie privat erlebt, dass Erwachsene gerne Kontakt zu ihren Eltern hätten, dafür gekämpft haben, diese aus Sturkopfigkeit und Verfahrenheit aber das familiäre Gefüge zerbrochen haben.

    Jemand der es gewohnt ist, zu bekommen was er möchte, der sein Kind als sein Eigentum ansieht, der denkt dass er über seinem erwachsenen Kind steht oder jemand der versucht seinem Kind zu helfen und gar nicht merkt, dass es nicht mehr seine Aufgabe ist, wird mit der Eigenständigkeit seines Kindes, einem Nein und der Tatsache, dass das Kind ( egal welchen Alters) Dinge anders sieht… Ohne psychologische Hilfe nicht klar kommen…damit zurechtkommen.

    Heutzutage, wo jeder zweite psychische Defizite hat und Menschen sich gegenseitig in krankmachende Lebensumstände zwingen, ist ein Nein als Antwort die Lösung und gleichzeitig der Weg in die Abwärtsspirale.

  2. 15. Mai 2016 at 8:53

    Ja, der Weg ist nicht einfach. Und manchmal muss man sich als Kind schützen und den Kontakt abbrechen bzw. Abstand halten. Das ist man als erwachsenes Kind seinem inneren Kind dann schuldig, so schwer das fällt und so weg das auch tut… LG Volker Hepp

  3. Ysanne
    21. Februar 2017 at 19:59

    Ganz besonders schwierig wird es dann, wenn die Eltern jedes “Nein” als Abbruch der Beziehung auffassen und damit zugleich den Schuldigen dingfest machen können. “Wenn Du wenigstens ein bisschen dankbar wärst, wie es in den 10 Geboten gefordert ist und wie ich, Deine Mutter, darauf schließlich Anspruch habe, dann könntest Du mir, Deiner Mutter, das nicht antun und mich derart verletzen. Du bist derjenige, der rücksichtslos und egoistisch diese Eltern-Kind-Beziehung einfach so zerstört hat.”

  4. Pia C.
    16. Januar 2018 at 20:35

    Ich denke es ist immer einfacher über solche verzwickten Konstellationen zu philosophieren als selbst betroffen zu sein. Das Druckmittel meiner Eltern war immer Geld und wenn das zu versagen drohte dann folgten emotionale Erpressungen. Leider haben sie mich finanziell mehr oder weniger bis heute in der Hand und das ist auch nicht schwierig wenn man mit bereits 27 Jahren aus gesundheitlichen Gründen von einer Mini Rente leben muss und trotz Studienabschluss noch nicht mal einem Minijob nachkommen kann.

    Ich hatte immer schon ein kompliziertes Verhältnis zu meinem Vater aber in der Hinsicht ist das Kernproblem meine Mutter mit ungefragten Ratschlägen und einem massiv übergriffigen Verhalten. Ich lebe in einer 2-Zimmerwohnung im Einfamilienhaus meiner Eltern. Bis heute (ich bin 35) werde ich nach Belieben mal angeschrien das ich einen Haushalt nicht auf die Reihe bekäme (dazu reichen bereits 3 Teller im Abwasch und ein Korb voller Wäsche) und sie verschafft sich jederzeit Zutritt in die Wohnung um im meiner Abwesenheit die Böden zu wischen und aufzuräumen. Ein Nein wird überhört oder weggelacht. Schlage ich einen bestimmteren Ton an heißt es: ” Du kannst ja ausziehen wenn dir was nicht passt”, wohlwissend, dass ich die Mittel dazu nicht habe. Was soll man da machen? In einer Sozialwohnung leben mit Existenzängsten immer auf den letzten Euro hin oder zuhause bleiben und die Zähne zusammenbeißen?

    • 17. Januar 2018 at 8:22

      Liebe Pia, danke für den Kommentar. Vielleicht nur eine Anmerkung zum letzten Satz: Sie haben alle Möglichkeiten, natürlich auch mit allen Konsequenzen, sprich, in diesem Fall die Wahl zwischen Sozialwohnung und zuhause zu bleiben. Beides hat seine Vor- und Nachteile und niemand kann Ihnen diese Entscheidung mit ihren Konsequenzen abnehmen. Aber – Sie haben die Wahl.

  5. Ulli
    25. März 2018 at 20:21

    Liebe Pia, ich empfehle das Buch ,MUTTERWUT,. Ein psychologischer Krimi der ebenso beginnt und nicht gut endet…

  6. Susa
    16. Februar 2019 at 12:04

    Bisher kannte ich den Titel “narzisstische Mütter”, aber dies ist noch etwas präziser. Es reicht nicht, die Distanz herzustellen, sondern die eigenen, ererbten Anteile zu bearbeiten. Jedenfalls nicht bei mir, wo das gesamte Sebstbild schwer beschädigt ist. Da eine äussere Korrektur vorzunehmen, bringt mich in den wütenden Reaktionsmodus, kurz: Ich bin wieder Kind. Eine Negation ist eben keine POSITION, die braucht es aber!!!!

  7. Michael K.
    12. April 2019 at 13:23

    Hallo! Danke für den Blog, der mir jetzt eine aktuelle Situation besser einordnen hilft.
    Ja, es ist schwierig und es braucht Mut, Nein zu Übergriffen zu sagen, insbesondere vielleicht auch beim Partner /Partnerin (wie immer man die Beziehung definiert).
    Der erste Schritt ist m.E., einmal auf die Zuwendung des anderen “pfeifen” zu können, und so die Bestrafungen des anderen ins Leere laufen zu lassen..das erfordert Selbstwert und selbstbestimmtes Leben, mehr oder weniger.
    Ich übe es…

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